
Kleiner Stern in Not
Tief, ganz tief im Kottenheimer Wald, wo die Fichten so hoch waren, dass sie die Wolken kitzelten und das Moos weicher war als jeder Samt, lebte ein Wichtel namens Wini. Wini war nicht groß, aber sein Herz war riesig und seine Mütze leuchtete in fröhlichen blauen Streifen. Er wohnte mit seiner lieben Frau, Line, in einem gemütlichen Haus unter den Wurzeln einer alten Eiche.
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​Wini hatte einen allerbesten Freund: einen schlauen, rotbraunen Fuchs namens Toni. Toni war kein gewöhnlicher Fuchs; er war Winis treuer Begleiter auf all seinen Waldgängen. Gemeinsam kannten sie jeden Grashalm und jeden kleinen Stein im Kottenheimer Wald.
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​Eines Abends, als der Wald in tiefblauen Schatten lag und Line gerade die letzten Beerenmuffins aus dem Ofen holte, saßen Wini und Toni draußen auf einem Baumstamm. Wini seufzte und blickte hinauf zum Himmel.
​„Ach, Toni“, murmelte Wini, „ich wünschte, ich wüsste, wie wir dem Wald ein ganz besonderes Geschenk machen könnten. Ein Geschenk, das alle fröhlich macht.“
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​Genau in diesem Moment, als Wini das sagte, fiel etwas. Kein Stein, kein Blatt, sondern ein winziger, blassgoldener Punkt, der sacht zwischen den Zweigen der Eiche hängen blieb: Es war ein kleiner Stern, den der Wind sanft von seinem Platz am Himmelszelt geweht hatte.
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​„Oh je!“, piepste der Stern mit einer Stimme, die wie das Läuten winziger Silberglöckchen klang. „Ich bin Ellie! Ich habe meine Familie und meinen Weg zurück in die Nacht verloren!“
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​Wini und Toni sprangen sofort auf. Ellie war zwar nur so groß wie Winis Daumen, aber ihre Not war riesig. Toni stupste Wini mit seiner feuchten Schnauze an. „Wir müssen ihr helfen, Wini. Sie muss zurück zu ihren Geschwistern, damit der Himmel wieder vollständig leuchtet.“
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​Line kam besorgt aus der Tür. Als sie Ellie sah, tupfte sie sich mit der Schürze eine Träne aus dem Augenwinkel. „So ganz allein du kleiner Stern! Wir Wichtel helfen immer! Aber wie bringen wir dich nur zurück an den Himmel?“
​Wini kratzte sich am Kinn und dachte nach. Er wusste, dass sie es allein nicht schaffen würden. Der Weg war zu weit, die Eiche zu hoch. Also beschloss er, alle Waldtiere um Hilfe zu bitten.
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​Wini blies in ein kleines Eichelhörnchen, und schon bald kamen die Waldkobolde, die flinken Eichhörnchen, die starken Hirsche und die fleißigen Bienen herbeigeeilt.
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​Wini erzählte von Ellie und ihrer großen Reise zurück nach Hause. Er erklärte: „Jeder von uns hat eine andere Stärke. Wenn wir alle zusammenarbeiten und jeder seinen Teil beiträgt, können wir das Unmögliche möglich machen.“
​Und so begannen sie:
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Die Hirsche nutzten ihre starken Geweihe, um lange, federnde Äste zu stützen.
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Die Waldkobolde knüpften aus dünnen Ästen und Spinnenseide ein leichtes, aber festes Tragenetz.
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Die Eichhörnchen huschten in die höchsten Wipfel, um den besten Startpunkt zu finden.
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Und Toni, der Fuchs, hielt die ganze Zeit Wini und das Netz mit Ellie in Balance, während Wini vorsichtig kletterte.
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​Endlich, ganz oben auf der höchsten Fichtenspitze, dort, wo die kalte Nachtluft wehte, hielten Wini und Toni das Netz mit Ellie bereit.
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​„Bist du bereit, Ellie?“, fragte Wini.
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„Ja!“, flüsterte Ellie, deren Licht nun vor Freude heller wurde.
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​Mit einem letzten Schwung, den Wini mit der Kraft aller Waldbewohner nahm, schleuderte er das Netz sanft in den Himmel. Ellie flog höher und höher, bis sie mit einem letzten, fröhlichen Pling! ihren Platz zwischen ihren Geschwistern wieder einnahm.
​Der Himmel über dem Kottenheimer Wald leuchtete heller als je zuvor, als wäre er mit funkelndem Gold bestreut.
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​Am nächsten Morgen saßen Wini, Line und Toni glücklich beisammen und teilten sich die restlichen Beerenmuffins. Der Wald war ruhig und froh. Wini lächelte und sagte:
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​„Siehst du, Toni? Das ist das schönste Geschenk. Wir waren alle nur klein und allein, aber weil wir einander geholfen haben, konnten wir etwas Großes bewirken. Wenn man hilfsbereit ist, wird man selbst zu einem kleinen Licht, das die ganze Welt ein bisschen heller macht.“
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​Und so lehrte der kleine Wichtel Wini im Kottenheimer Wald, dass die größte Stärke nicht in der Größe liegt, sondern in der Bereitschaft, anderen zu helfen. Und die kleine funkelnde Ellie am Himmel? Die zwinkert ihm jeden Abend dankbar zu.
